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Channel: Wochenmarkt – 1914-1918: Ein rheinisches Tagebuch
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29. August 1916

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Stadtarchiv Solingen, Bergische Arbeiterstimme 29. August 1916

Die Obstpreise befinden sich weiter auf Rekordniveau. Schuld daran seien die Händler, die sich gegenseitig beim Einkauf überbieten.

                      Vom Wochenmarkt.
   Die Gemüse- und Obstpreise waren zum Teil trotz größerer
Anfuhr wieder gestiegen. Für Einmachbohnen wurden durch-
weg 40 Pf[enni]g für das Pfund gefordert. Voriges Jahr um diese
Zeit wurden nach dem amtlichen Marktbericht für Bohnen
folgende Preise bezahlt: Grüne Bohnen 14 Pf[enni]g, Prinzeßbohnen
19 Pf[enni]g und Wollbohnen 11 Pf[enni]g für das Pfund. Die Haus-
frauen, besonders die aus dem Arbeiterstande, verhielten sich
sehr reserviert, und so entwickelte sich kein flotter Handel; das
Geschäft blieb schleppend. Auch die Preise für die andern Ge-
müsesorten waren so hoch, daß nur das dringend Nötigste ge-
kauft wurde. Im Gegensatz dazu fand der städtische Weiß-
kohl flotten Absatz. Die Obstpreise halten sich auf einer Höhe,
die durch nichts gerechtfertigt erscheint. Pflaumen kosteten z. B.
das Pfund 50 Pf[enni]g. Im vorigen Jahre um diese Zeit kostete
hier das Pfund Pflaumen 20 bis 25 Pf[enni]g. Der Preis ist also
um mehr als 100 Prozent gestiegen. Forscht man nach den
Gründen dieser enormen Preissteigerungen, so hört man das
alte Lied: Die Händler überbieten sich gegenseitig beim Einkauf.


Aus der Provinz Sachsen wird hierüber ein typischer Fall be-
richtet. Ein Obstzüchter erzielte im vorigen Jahre für einen
Zentner Pflaumen bis zu 6 Mark bei einer mäßigen Ernte.
In diesem Jahre, wo die Zweige der Pflaumenbäume gestützt
werden müssen, weil sie unter der Last der reifenden Früchte
zu brechen drohen, wurden den Obstzüchtern glattweg –
18 Mark für den Zentner geboten. Dabei hat sich der Käufer
noch verpflichtet, die Pflaumen selbst zu ernten. Die Unter-
lassung der Regulierung der Obstpreise durch das Kriegsernäh-
rungsamt hat die hessische Regierung veranlaßt, selbstständig vor-
zugehen durch Ausschreibung von Höchstpreisen für alle Obst-
sorten. Auch einzelne Gemeinden haben für Obst Höchstpreise
festgesetzt, so die Stadt Zerbst in Anhalt, wo der Höchstpreis
für Pflaumen auf 5 Mark für den Zentner festgesetzt wurde.
In Solingen bezahlen wir also genau 1000 Prozent mehr.
Wie wäre es, wenn die Preisprüfungsstelle hin und wieder
Stichproben bei den Händlern machte, um die Differenz zwischen
Ein- und Verkauf festzustellen?


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